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BGH: Kein kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzanspruch der VW-Aktionäre gegen den Zulieferer Bosch

von Patrick Redell

Urteil vom 20. Juli 2021 - II ZR 152/20

Der  unter anderem für das Kapitalmarktrecht zuständige II. Zivilsenat hat  heute entschieden, dass Aktionären der Volkswagen AG gegen den  Zulieferer der in Dieselfahrzeugen verbauten Software keine  Schadensersatzansprüche wegen Beihilfe zu einer unterbliebenen oder unrichtigen Information des Kapitalmarkts zustehen.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Ab  dem Jahr 2008 produzierte die Volkswagen AG eine neue Baureihe von  TDI-Dieselmotoren in Serie. In den damit ausgestatteten Fahrzeugen war  eine Software verbaut, die erkannte, ob sich das Fahrzeug in einem  Prüfzyklus zur Ermittlung von Emissionswerten befindet. Die Beklagte  lieferte der Volkswagen AG die Software. Durch eine entsprechende  Programmierung der Software schaltete das Steuerungssystem auf dem  Prüfstand in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und  damit einen gegenüber dem Normalbetrieb geringeren Ausstoß an  Stockoxiden bewirkte.

Die  Kläger erwarben im Dezember 2013 Aktien der Volkswagen AG für 12.234,60  €. Am 3. September 2015 räumte die Volkswagen AG gegenüber  US-amerikanischen Behörden ein, die entsprechend programmierte Software  in ihren Dieselfahrzeugen verbaut zu haben. Am 21. September 2015  veräußerten die Kläger die Aktien für 8.474,40 €. Mit Ad-Hoc-Meldungen  vom 22. und 23. September 2015 informierte die Volkswagen AG den  Kapitalmarkt erstmals über die Verwendung der Software.

Die  Kläger begehren von ihr Ersatz des Unterschiedsbetrags zwischen ihren  Erwerbsaufwendungen und dem Veräußerungserlös. Sie legen der Beklagten  zur Last, durch die Softwarelieferung Beihilfe zur unterbliebenen bzw.  nicht rechtzeitigen Information des Kapitalmarkts durch die Volkswagen  AG geleistet und sie dadurch geschädigt zu haben.

Die  Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom  Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr  Schadensersatzbegehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der  Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Beklagte den Klägern nicht  wegen der Lieferung der Software an die Volkswagen AG  schadensersatzpflichtig ist.

Der  Bundesgerichtshof hat wie schon das Berufungsgericht offen gelassen, ob  die Volkswagen AG durch die nicht rechtzeitige Unterrichtung über die  Verwendung der Motorsteuerungssoftware eine unerlaubte Handlung zum  Nachteil ihrer Aktionäre begangen hat (§§ 31, 823 Abs. 2, § 826 BGB). In  der Softwarelieferung durch die Beklagte liegt jedenfalls keine  Beihilfe (§ 830 Abs. 2 BGB) dazu. Sie ist nach natürlichem  Sprachgebrauch keine Erleichterung oder Förderung der der Volkswagen AG  angelasteten Kapitalmarktdelikte, weil sie deren Pflicht zur  Unterrichtung des Kapitalmarkts über ihre Verwendung überhaupt erst  mitbegründet haben kann. Ein die Grenzen des Wortsinns auslotendes oder sogar überdehnendes Verständnis des Begriffs der Hilfeleistung ist auch  nicht aus Gründen des Rechtsgüterschutzes geboten. Der Schutz der  potentiellen Anleger und Aktionäre der Volkswagen AG vor der unrichtigen  Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft wird nicht schon durch  die Softwarelieferung, sondern erst durch eine pflichtwidrig nicht  rechtzeitige Unterrichtung über ihre Verwendung zur Abgassteuerung der  Dieselmotoren beeinträchtigt.

Der  Bundesgerichtshof hat daher die klageabweisenden Entscheidungen der  Vorinstanzen durch Zurückweisung der Revision bestätigt, die damit  rechtskräftig sind.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs, Nr. 139/2021