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LG Stuttgart: Corona-Desinfektionskosten bei Reparatur vom Unfallverursacher zu tragen

von Patrick Redell

Urteil vom 21.07.2021

Die 13. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart hat nun entschieden, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls vor der Übergabe eines reparierten Fahrzeugs von der  Werkstatt an ihn eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen  erwarten kann und dass der Aufwand hierfür im Rahmen der  Schadensbeseitigung erforderlich und von der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung zu ersetzen ist.

Man mag es in Pandemie-Zeiten kaum glauben, dass über so etwas gestritten wird, aber Kfz-Haftpflichtversicherungen haben bisher regelmäßig die Übernahme von sog. coronabedingten Desinfektionskosten abgelehnt. Dies dürfte nun ein Ende haben.

Wörtlich entschied das Gericht u. a. wie folgt:

"In Zeiten der Corona-Pandemie darf der Geschädigte eine Desinfektion der  wesentlichen Kontaktflächen vor Abholung des Fahrzeugs erwarten.  Unabhängig davon, ob ein nennenswertes Risiko einer Schmierinfektion  über Kontaktflächen objektiv besteht, wäre es für den Geschädigten eine über die bloße Lästigkeit hinausgehende Beeinträchtigung, wenn er das Fahrzeug ohne solche Maßnahmen entgegennehmen müsste. Die Bestimmung der „Erforderlichkeit“ im Sinne von § 249 Abs. 2 BGB hat auf die besonderen  Umstände des Geschädigten, mitunter auch auf seine beschränkten  Erkenntnismöglichkeiten Bedacht zu nehmen (BGH, Urteil vom 06.11.1973,  VI ZR 27/73). Das eigene Fahrzeug ist ein Bereich der Privatsphäre, in dem die Empfindlichkeit hinsichtlich der hygienischen Verhältnisse und möglicher Kontaminationen von außen besonders hoch ist. Der Geschädigte  kann nicht abschätzen, wie viele ihm unbekannte Mitarbeiter der Werkstatt sich in dem Fahrzeug wie lange aufgehalten oder  Reparaturmaßnahmen vorgenommen haben. Aus seiner subjektiven Perspektive  eines medizinischen Laien lässt sich eine Infektionsgefahr nach  Abholung des Fahrzeugs zumindest nicht ausschließen. Sein Sicherheitsgefühl, also sein subjektives Interesse, sich keinem  vermeidbaren Infektionsrisiko auszusetzen, erscheint in der Pandemie mit  Blick auf die möglichen schweren Folgen einer Erkrankung und der zum  Teil unklaren Informationslage schützenswert. Der Geschädigte nutzt das  Auto nach der Abholung dauerhaft, so dass es für ihn – anders als für  die Werkstattmitarbeiter – auch keine angemessene Option ist, sich etwa durch Handschuhe oder eine Maske zu schützen. Der Geschädigte und  Werkstattkunde darf deshalb in der Regel erwarten, dass ständig genutzte Kontaktflächen wie das Lenkrad, die Schalthebel und der Türgriff nach  Fertigstellung der Reparatur desinfiziert werden."

Diese Rechtsprechung ist zu begrüßen.