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BGH: Grundsatzentscheidung zu Online-Sportwetten am 25.07.2024 erwartet - Können Spieler bald Verluste zurückfordern?

von Patrick Redell

Der Zeitpunkt hätte nicht günstiger sein können. Während die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland pausiert, waren heute, am 27.06.2024, alle Augen auf den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gerichtet. Dort verhandelte der I. Zivilsenat erstmals eine sog. "Spielerklage" im Zusammenhang mit der Rückforderung von Verlusten beim unerlaubten Online-Glücksspiel.

Genauer gesagt hatte ein Spieler gegen den bekannten Online-Glücksspiel-Anbieter "Tipico" auf Rückzahlung seiner bei Online-Sportwetten erlittenen Verluste im Zeitraum vor Lizenzerteilung (Tipico erhielt am 09.10.2020 eine Lizenz zum Veranstalten und Vermitteln von Online-Sportwetten) geklagt.

 

Vorweg sei gesagt: anders als dies fälschlicherweise auf anderen Seiten zu lesen ist, hat der BGH in dieser mündlichen Verhandlung, welche ca. 2,5 Stunden ging und mittendrin durch einen Feuer(fehl-)alarm unterbrochen werden musste, keine endgültige Entscheidung getroffen, sondern seine vorläufige Rechtsauffassung kundgetan.

Diese war allerdings in weiten Teilen nicht überraschend, so hatte der BGH doch bereits mit einem umfassenden Hinweisbeschluss vom 22.03.2024 das Vermitteln und Veranstalten von Online-Sportwetten ohne erforderliche nationale Lizenz für illegal erachtet und einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der erlittenen Verluste dem Grunde nach bejaht.

In der heutigen Verhandlung ging es demnach insbesondere um die weiteren nachfolgenden Einzelrechtsfragen:

  • Zunächst teilte der Senat mit, dass sich der aktuelle Fall von dem Fall, der dem Hinweisbeschluss vom 22.03.2024 zugrunde lag, insoweit unterscheiden würde, als zwar in beiden Fällen die Anbieter Lizenzen zum Vermitteln und Veranstalten von Online-Sportwetten beantragt und nicht erteilt bekommen hatten, dass aber in dem aktuellen Fall nicht als unstreitig unterstellt werden könnte, dass der Anbieter die Voraussetzungen der Lizenzerteilung auch nachträglich nicht eingehalten hätte (z. B. weil das monatliche Limit von 1.000,00 € überschritten worden wäre). Hierzu würden schlichtweg die Feststellungen fehlen. Auch wenn der BGH sich hier noch nicht festlegen wollte, teilte er jedoch mit, dass er wohl auch in dieser Sachverhaltskonstellation von einer Nichtigkeit der Spielverträge ausgehen würde.
  • Des Weiteren argumentierte der BGH sehr detailliert dahingehend, dass die einschlägigen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) insbesondere dem Schutz der Spieler dienen würden. Dabei betonte der Senat, dass sich dieser Schutz auch auf "wirtschaftliche Interessen" der Spieler beziehen würde, womit er dem Argument des XI. Zivilsenates, dass kein Vermögensschutz beabsichtigt sei, eine Absage erteilte.
  • Ferner ließ der Senat anklingen, dass im Rahmen der Prüfung eines Rückzahlungsanspruchs auch immer die mögliche Kenntnis des Spielers von der Illegalität der genutzten Online-Glücksspiele in den Blick genommen werden müsste. Offen ließ der Senat hingegen die Rechtsfrage der teleologischen Reduktion des § 817 S. 2 BGB (was im Endeffekt dazu führen würde, dass es auf eine etwaige Kenntnis nicht (mehr) ankommen würde).
  • Darüber hinaus teilte der Senat - und darauf wurde mit Spannung gewartet - mit, dass er die einschlägigen Vorschriften des GlüStV als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB erachte, weshalb deliktische Ansprüche der Spieler auf Schadensersatz (auch gerichtet auf Rückzahlung der verspielten Beträge) bestehen würden. Diese Erörterung erfolgte im Rahmen der Frage einer möglichen Verjährung. Ohne es jedoch konkret angesprochen zu haben, dürfte in Folge dessen konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass entsprechende Rückzahlungsansprüche nicht nach 3 Jahren, sondern erst nach 10 Jahren verjähren. Das war die eigentliche Sensation des Tages.
  • Schließlich wurde gerade von Seiten des Anbieters vehement gefordert, dass Verfahren wegen des anhängigen EuGH-Verfahrens auszusetzen. Hiergegen hatte sich der I. Zivilsenat bisher gewehrt, heute aber mitgeteilt, dass er dies nochmals intern besprechen werde.

Eine Entscheidung wird am 25.07.2024 ergehen.

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