Urteil vom 05. März 2024 - XI ZR 107/22
Der u.a. für das Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 05. März 2024 entschieden, dass eine Bank/ Zahlungsdienstleister die Beweislast für die Autorisierung einer Zahlung trägt, sofern der Zahler eine solche Autorisierung bestreitet, unabhängig davon, ob der Zahlungsvorgang auf dem Einsatz eines Zahlungs(authentifizierungs)instruments mit personalisierten Sicherheitsmerkmalen beruht.
Sachverhalt und bisheriger Prozessverlauf:
Eine Bankkundin (die Klägerin) führte bei der beklagten Bank ein Giro- und ein Tagesgeldkonto. Sofern Überweisungen zu tätigen waren, schrieb die Kundin jeweils ihren Kundenberater (in der Regel auf englisch) an und erteilte Überweisungsaufträge.
Im Zeitraum vom Mai 2016 bis zum 1. Februar 2017 gingen beim Kundenberater der Klägerin dreizehn E-Mails mit Zahlungsanweisungen in englischer Sprache ein, die als Absender die E-Mail-Adresse der Klägerin auswiesen und denen jeweils eine Rechnung mit dem Überweisungsbetrag und den Daten des Empfängers beigefügt war. Sämtliche Rechnungen waren gefälscht, die angegebenen Rechnungssteller existierten nicht. Auf Basis der genannten Zahlungsanweisungen nahm der Kundenberater der Klägerin nach vorheriger Umbuchung vom Tagesgeldkonto auf das Girokonto der Klägerin insgesamt dreizehn manuelle Überweisungen von diesem Girokonto an die jeweiligen Rechnungssteller in Ungarn, Dubai und Großbritannien vor. Wie in der Vergangenheit hielt er zuvor keine Rücksprache mit der Klägerin, bestätigte aber jeweils die Ausführung der Zahlung in einer E-Mail an die E-Mail-Adresse der Klägerin. Zwölf Überweisungen wurden erfolgreich ausgeführt, eine Überweisung wurde zunächst ausgeführt und später zurückgebucht, was jeweils Kosten auslöste. Insgesamt wurde das Konto der Klägerin aufgrund der Ausführung der dreizehn Überweisungen inklusive Kosten mit einem Betrag von 255.395,61 € belastet.
Die Beklagte übersandte der Klägerin monatlich Kontoauszüge für das Girokonto. Die Kontoauszüge waren auf der Rückseite mit dem folgenden Hinweis versehen:
"Rechnungsabschlüsse. Ist der Kontoauszug zusätzlich mit dem Hinweis 'Rechnungsabschluss' versehen, haben wir für Ihr Konto einen Rechnungsabschluss durchgeführt."
Die Klägerin erhielt die Kontoauszüge und nahm sie schnell zur Kenntnis.
Nach Erhalt des Kontoauszugs 1/2017 vom 1. Februar 2017 sowie eines auszufüllenden Formblatts zur Einwilligung in die Kommunikation per E-Mail teilte die Klägerin der Beklagten im Februar 2017 mit, sie könne die vom Mai 2016 bis zum 1. Februar 2017 ausgeführten Überweisungen nicht nachvollziehen und habe diese nicht beauftragt. Im September 2017 forderte die Klägerin die Beklagte zur Erstattung des insgesamt abgebuchten Betrages von 255.395,61 € bis zum 16. Oktober 2017 auf. Das Girokonto der Klägerin bei der Beklagten besteht weiterhin und weist einen positiven Saldo auf.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von 255.395,61 € nebst Verzugszinsen seit dem 16. Oktober 2017.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte zur Zahlung von 255.395,61 € nebst Verzugszinsen seit dem 17. Oktober 2017 verurteilt. Dagegen richtete sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Der XI. Zivilsenat hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts bestätigt.
Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erstattung der zu Unrecht abgebuchten Beträge.
"Im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs ist der Zahlungsdienstleister gemäß § 675u Satz 2 BGB aF verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.
Nach § 675j Abs. 1 Satz 1 BGB aF ist ein Zahlungsvorgang autorisiert und dem Zahler gegenüber wirksam, wenn dieser dem Zahlungsvorgang zugestimmt hat. Die Zustimmung kann gemäß § 675j Abs. 1 Satz 2 BGB aF entweder als Einwilligung oder, sofern zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister zuvor vereinbart, als Genehmigung erteilt werden. Art und Weise der Zustimmung sind zwischen dem Zahler und seinem Zahlungsdienstleister zu vereinbaren, wobei insbesondere vereinbart werden kann, dass die Zustimmung mittels eines bestimmten Zahlungsauthentifizierungsinstruments erteilt werden kann (§ 675j Abs. 1 Satz 3 und 4 BGB aF).
Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die streitgegenständlichen Überweisungen, bei denen es sich um Zahlungsvorgänge im Sinne von § 675f Abs. 3 Satz 1 BGB aF handelt, nicht von der Klägerin autorisiert waren."
Die Klägerin hatte die Autorisierung der Zahlungen bestritten.
Die Klägerin hat die Zahlungen auch nicht konkludent dadurch genehmigt und autorisiert, indem sie längere Zeit keine Einwendungen gegen die ihr übersandten Kontoauszüge erhoben und den von dem Mitarbeiter der Beklagten verfassten Bestätigungsnachrichten nicht zeitnah widersprochen hat. Eine solche Vorgehensweise war zwischen den Parteien aber nicht vereinbart worden. Im Übrigen hatte die Klägerin den Überweisungen rechtzeitig gegenüber der beklagten Bank widersprochen.
Die beklagte Bank trägt die Beweislast für die Autorisierung der streitgegenständlichen Überweisungen durch die Klägerin.
Der beklagten Bank stehen auch keine Gegenansprüche in Form von Schadensersatzforderungen gegen die Klägerin wegen der nicht autorisierten Zahlungsvorgänge zu.